Buchenwald und Maiglöckchen

Gewinnung der Eichenrinde - auch Lohe genannt - in früheren Zeiten

In vergangenen Jahrhunderten war die Arbeit im Niederwald eine weit verbreitete Form der Waldbewirtschaftung. Schon der Begriff Niederwald besagt, dass hier die Bäume im Gegensatz zum Hochwald nicht hoch hinauswuchsen, sondern nach 15 bis 25 Jahren, je nach Nutzung des Holzes geerntet wurden. Sie erreichten nach kurzer Umtriebszeit nur das Stadium eines Stangenwaldes. In dieser Waldform erfolgte die Vermehrung nicht durch Samen oder Setzlinge, sondern durch mehrstämmige Stockausschläge, d. h. nach dem Abschlagen der Stangen trieben aus den Wurzelstöcken regenerationsfreudiger Sträucher und Bäume wie Eichen, Hainbuchen, Birken und Hasel immer wieder genügend Schösslinge aus. Diese Waldform war über Jahrhunderte hindurch für unsere Region von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Im Hunsrückvorland, im Saar-Nahe-Bergland sowie in den Tälern des Hunsrücks, deren Bäche in die Nahe oder die Mosel fließen, war die Niederwaldwirtschaft weit verbreitet. Der Anteil des Niederwaldes an der Gesamtfläche war hier besonders hoch. Diese Wirtschaftsform des Waldes entstand durch den großen Holzbedarf für die Weiterverarbeitung von Rohstoffen, wie Erze oder Tierhäute. Die Verarbeitung der Bodenschätze wie Eisen- oder Kupfererze war erst möglich durch die Verwendung von Holz als Energiequelle. Mit Holzkohlen schmolz man diese und andere Erze noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Holz dazu lieferte der Niederwald, in dem vornehmlich Buchen wuchsen, die nach 20 bis 30 Jahren geschlagen wurden. Auch die Eichenrinde wurde in Niederwäldern gewonnen. In diesen "Lohhecken", wie man sie in unserer Gegend nannte, wurde der Nachwuchs von Eichen besonders gefördert. Die gerbsäurehaltige Eichenrinde diente in den Gerbereien noch bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts zur Herstellung von Leder. Diese Waldnutzungsform war für unsere Gegend landschaftsprägend und gehört heute der Vergangenheit an. Die Niederwälder werden z. T. in Hochwälder überführt oder entwickeln sich im Laufe der Zeit zu einer Art "Mini-Urwälder", die im forstwirtschaftlichen Sinn bedeutungslos, aber ideale Ökoinseln sind.

Die Arbeit in den Lohhecken

Der gesamte Lohheckenbestand eines Dorfes, ob er sich in Privatbesitz oder in einem Gemeinschaftsbesitz wie einer Gehöferschaft oder Genossenschaft befand, war in 15 bis 18 Areale unterteilt. In Eiweiler, wo es bis in die 50er Jahre ca. 350 ha Lohhecken gab, wurde ein 15jähriger Turnus eingehalten. Jeder Waldbesitzer bzw. jedes Gehöferschaftsmitglied hatte in jedem Teil 1/15 seines Besitzes. Die 15 Teilstücke von je etwa 20 ha Größe wurden in einer festen Reihenfolge, jedes Jahr ein Teil, abgeholzt, so dass auf dieser Fläche in dem betreffenden Jahr ein völliger Kahlschlag erfolgte. Nach 15 Jahren war das Holz in dieser Gewann wieder hiebsreif. So wurde innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren (in unserem Beispiel) der ganze Niederwald eines Dorfes umgetrieben.

Vorbereitende Arbeiten

Im Vorfrühling, wenn der Wald noch unbelaubt war, markierten die Lohheckenbesitzer an einem festgesetzten Tag ihre Parzellen in dem in diesem Jahr zur Abholzung anstehenden Areal mit etwa 1,5 m langen Haselnussstangen. Diese dünnen Pfähle wurden im oberen Teil entrindet, mit dem Namen oder dem Hauszeichen des Besitzers versehen und auf der Grenze eingeschlagen. Ausgemessen wurde nach den alten Maßen: Rute, Schuh und Zoll. Eine preußische Rute war 3,76 m lang und unterteilt in 10 Fuß und jeder Fuß in 10 Zoll. Ebenso waren die Flächen in entsprechenden Quadratmaßen vermessen: 1 Morgen entsprach 180 Quadratruten, 1 Quadratrute = 144 Quadratfuß. Wenn im Mai der Saft voll in den Bäumen war, wurde mit dem Lohschleißen begonnen. Lohmachen war eine Saisonarbeit und konnte nur in dieser Zeit erledigt werden. Deshalb war es erforderlich, dass alle gleichzeitig die Arbeit in der Hecke aufnahmen. Die ganze Familie war in diese Arbeit eingebunden. Auch die Bauersfrau konnte mit den Arbeitsgeräten umgehen, und die Kinder bekamen schon ihre Arbeit zugeteilt. Arbeitsgeräte waren Lohschleißer, Axt und Hippe. In der Regel waren alle Waldparzellen durch einen schmalen Weg zu erreichen. Hier begann man auch mit der Arbeit.

Lohschleißen

Eine Eichenstange wurde mit der Hippe entastet und mit der Spitze des Lohschleißers bis zu einer Höhe von etwa 2 m aufgeschlitzt. Mit dem löffelartigen anderen Ende löste man dann die Rinde sorgfältig rundum ab und legte sie auf ein Trockengerüst, das sogenannte "Lohbett" ab. Mit der Axt hieb man die Stange so nah am Boden wie möglich ab, aber so, dass noch ein Teil mit dem Wurzelstock verbunden war. Jetzt wurde die Stange umgelegt, ganz entastet und dann die gesamte Rinde entfernt. Die älteren Kinder halfen bei der Arbeit. Sie beklopften auf einem dicken, flachen Stein die Äste mit einem Lohhammer und entrindeten sie. Kein Stück Eichenrinde durfte verloren gehen.

Hippe

In der Weise wurde eine Stange nach der anderen im Schotten, das waren 8 bis 10 Stangen aus einem Wurzelstock gewachsen, bearbeitet. Auch das andere Holz wie Hasel, Hainbuchen, Birken usw. wurde gefällt, aber nicht entrindet und alles zusammen zu einem Stangenhaufen aufgeschichtet. So arbeitete man sich durch die ganze Parzelle. Die Eichenrinden wurden auf dem Lohbett etwa 30 bis 40 cm dick aufgelegt. Wenn ein Kälteeinbruch kam, musste man die Arbeit auch schon mal kurzfristig unterbrechen, weil bei niedrigen Temperaturen die Rinde nur mit großer Mühe von der Stange zu lösen war.

Lohhammer

Wenn die Mittagsglocke läutete, brachte die Hausfrau oder ein Kind das Mittagessen in die Lohhecke. Alle aßen aus dem "Sobbedebbe" das kräftige Essen: Suppe, Rauchfleisch, Kartoffeln und Sauerkraut. Lohmachen war eine schwere Arbeit und machte großen Hunger. Nach einer Mittagspause ging das Lohmachen wieder weiter bis zum Abend. Drei bis vier Wochen dauerte die Arbeit. Dann lagen etwa 10 Wagenladungen Holz und 30 bis 40 Zentner Eichenrinde, je nach Größe der Parzelle, im Lohstück.

Lohschleisser

Nach etwa 2 bis 3 Wochen war die Rinde getrocknet. In aller Frühe band sie der Bauer mit Birkenreisern zu Bürden zusammen, drei Bürden ergaben ungefähr einen Zentner. Mit dem Fuhrwerk brachte man sie zum Gerber. Der hatte meistens schon im Frühjahr mit den Bauern den Preis ausgehandelt. Das Lohgeld war für die Leute der damaligen Zeit neben den Erträgen aus der Landwirtschaft eine bedeutende Existenzgrundlage. Auch das Holz musste aus der Hecke abgefahren werden. Ein großer Stangenhaufen vor oder neben dem Haus war der Stolz eines jeden Bauern. Holz war die wichtigste Energiequelle für ein ganzes Jahr. Mit Holz wurde das Haus geheizt, das Essen gekocht und Brot und Kuchen im großen Backofen gebacken. Manche Lohheckenbesitzer hatten mehrere Parzellen, so das sie welche an ärmere abgeben konnten. Diese durften das Holz behalten, der Besitzer hatte die Einnahmen vom Lohverkauf. Es durfte nämlich keine Parzelle in dem in diesem Jahr genutzten Areal im Holz stehen bleiben. Ende Juni/Anfang August wurden wieder alle Lohheckenbesitzer zusammengerufen, um die Äste und Zweige zu verbrennen. Jeder hatte eine Schaufel dabei, um das Feuer, das gegen die Windrichtung angelegt wurde, unter Kontrolle zu halten. Die Asche verteilte man zwischen den Wurzelstöcken. Im September säten dann die Bauern in ihre Parzelle Roggen. Das Getreide gedieh in diesem Boden besonders gut, die Ähren waren groß und die Halme lang. In früheren Zeiten dienten dieses Stroh zum Eindecken von Häusern und zum Herstellen von "Brotkurweln" (beim Brotbacken wurde der Teig in den runden oder länglichen Brotkörben geformt), Bienenkörben und anderen Strohgefäßen. In den folgenden Jahren wuchsen Gras und viele Arten von Blumen und Kräutern in den Hecken. Wenn die Stockausschläge 3 bis 4 Jahre alt waren, wurde die Fläche kontrolliert beweidet. Ziegen und Schafe durften aber nicht in die Hecke getrieben werden. Dieses Vieh hätte alle Schösslinge abgefressen. Nach 15 Jahren war die Lohhecke wieder hochgewachsen und konnte erneut genutzt werden.

Die hier geschilderte Form der Niederwaldbewirtschaftung im Allgemeinen und die Arbeit in der Lohhecke im Besonderen ist längst in Vergessenheit geraten. Deshalb werden in Eiweiler, Gemeinde Nohfelden, seit 1987 alle fünf Jahre im Mai "Lohheckentage" durchgeführt, wobei an Ort und Stelle gezeigt wird, wie die Leute in früheren Zeiten diese Arbeit verrichtet haben.

Quellenverzeichnis: Heck, Victor, Eiweiler Lesebuch, Nonnweiler 1999, Informationsschrift Eiweiler Lohheckentage 1987 und 1992

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